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Die Digitalisierung der Junge-Modelle: Ein Blick in die Werkstatt


Unser Kulturerbe wird digital, und unsere Gedächtnisinstitutionen mit ihm. Dabei stehen aber nicht alle Einrichtungen vor denselben Herausforderungen: Archive und Bibliotheken müssen als Sammler von ‚Flachware‘ – also Schriftgut, Bildmaterial und ähnlichem – ganz anders vorgehen als Museen, deren Objekte dreidimensional sind.

Das Angebot von Techniken und Methoden zur 3D-Erfassung von Kulturgütern ist mittlerweile breit gefächert – von Laservermessung über Streifenlichtscans bis hin zu modernen Computertomographen, wie sie auch in der medizinischen Diagnostik zum Einsatz kommen. Unsere Digitalisierung der Junge-Modelle erfolgte allerdings 2018/19 am DSM vor dem Hintergrund einer digitalen Infrastruktur, die noch stark im Aufbau begriffen war und daher mit einfacheren Mitteln auskommen musste. Wir entschieden uns daher für die computergestützte Variante eines Verfahrens, das schon seit dem 19. Jahrhundert in der Landvermessung zu Einsatz kommt: der Fotogrammetrie, (übrigens derselben Technik, die auch schon bei der ‚Bremer Kogge‘ zum Einsatz gekommen ist und kommt).

Die Fotogrammetrie ist ein sehr niedrigschwelliges Verfahren, das eigentlich nur dreierlei benötigt: eine gute Fotokamera (idealerweise eine Spiegelreflex mit Festbrennweitenobjektiv), einen PC mit ausreichender Leistung (wichtig sind vor allem die Kernzahl der Grafikkarte und der RAM-Speicher) sowie eine entsprechende Software (wir haben uns für die kommerzielle Lösung Agisoft Metashape entschieden, es gibt aber inzwischen mit AliceVision bzw. Meshroom auch mächtige, kostenfreie Open-Source-Lösungen).

Zeitrafferaufnahme: Unsere studentische Hilfskraft Max Möhlenbrock bei der fotogrammetrischen Vermessung eines Halbmodells

Der Ablauf des Verfahrens ist dann ein sehr intuitiver, wenngleich auch potentiell langwieriger. Unsere Modelle wurden in jeweils drei leicht höhenversetzten Serien rundherum fotografiert. Dabei war es wichtig, Lichtreflexionen auf den z.T. stark glänzend lackierten Rümpfen zu vermeiden. Weil ein Mattieren der Rümpfe mit Sprays oder Pudern aus Objektschutzgründen nicht in Frage kam, lösten wir dieses Problem mit einer Mischung aus möglichst diffusem Licht und einem Polarisationsfilter auf dem Kameraobjektiv. Ebenfalls wichtig war die Tiefenschärfe: Wir fotografierten alle Modelle mit sehr kleinen Blendenweiten und langen Belichtungszeiten.

Fotogrammetrie funktioniert umso besser, je mehr sog. ‚Features‘ – prägnante, zwischen den Einzelbildern möglichst oft wiedererkennbare Einzelmerkmale – sich in den Fotos wiederfinden. Metashape bietet uns hierfür die Möglichkeit, codierte Marker auszudrucken – man kann aber die Anzahl der Features auch auf dem Low-Tech-Weg erhöhen, indem man einfach Zeitungs- oder Prospektpapier unter die Objekte legt.

So sieht die Software eine fotogrammetrische Aufnahme. Die Punkte zeigen ‚Features‘, die Fähnchen die codierten Marker.

Die entstandenen fotogrammetrischen Bilderserien umfassten je nach Größe, Form und Detailgrad der Modelle zwischen 60 und 100 Einzelbilder. Die Software kann aus diesen Bilderserien den Abstand der Features zueinander ebenso herausrechnen wie den Abstand der Kamera zu den Features (vorausgesetzt, dass die Brennweite während der Aufnahmen nicht verändert wurde – Zoom-Objektive sind daher ungeeignet bzw. müssen entsprechend fixiert werden). So entsteht in einem ersten Schritt eine sog. ‚Punktwolke‘, die einen ersten Umriss des abgebildeten Gegenstands abgibt.

Sparse point cloud der MATADOR aus ca. 23.000 Punkten

Diese ist jedoch noch nicht ausreichend dicht genug, um aus ihr ein 3D-Modell zu generieren – in einem zweiten, sehr rechenaufwändigen Schritt wird sie deshalb noch einmal zu einer ‚dense cloud‘ verdichtet.

Dense point cloud der MATADOR aus über zwei Millionen Punkten

Aus dieser um ein Vielfaches komplexeren Punktwolke können wir dann das ‚Mesh‘ generieren – eine Oberfläche aus Dreiecken oder ‚Polygonen‘. Meshes sind das, was wir typischerweise unter ‚3D-Modellen‘ verstehen. In einem letzten Schritt kann die Fotogrammetrie-Software schließlich auch eine farbige Textur aus den Bildern generieren, die auf das Mesh gelegt wird.

Die Web-Umgebung, in der wir Ihnen die Modelle zeigen, wurde von unserer studentischen Hilfskraft Tobias Fiedler entwickelt und von unserem Mitarbeiter Luca Junge nochmals angepasst. Sie basiert auf der Grafikschnittstelle WebGL sowie der Javascript-Bibliothek Three.js. Diese Open-Source-Werkzeuge ermöglichen es uns, die Modelle direkt in einem Browserfenster dazustellen - ohne irgendwelche Apps, Treiber oder sonstige ungebetene Softwareinstallationen auf Ihrem Endgerät.

Wir hoffen, dass Sie Freude haben an diesem dreidimensional-dreifachen Einblick in unsere Sammlung, unsere künftige Ausstellung und unsere digitale Zukunft. Gern nehmen wir unter der Email-Adresse halbmodelle@dsm.museum Ihr Feedback sowie Ihre Ideen und Vorschläge zur Weiterentwicklung des Angebots an.